Das weltweit einzige Gardemuseum feiert einen runden Geburtstag
Im kommenden November begeht das weltweit einzige Museum, das der Päpstlichen Garde gewidmet ist, sein zehnjähriges Bestehen. Es befindet sich in einem Felsen, hoch über Naters. Dort steht das Museumszentrum «La Caverna» in einer Artilleriefestung, die General Guisan zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zur Sicherung des Simplonpasses bauen liess.
Südlich des Simplons herrschte der italienische Diktator Mussolini und hatte im Mai 1939 mit Hitler-Deutschland ein Militärbündnis geschlossen. Deshalb beschloss General Henri Guisan seine Réduit-Strategie im Wallis anzupassen. Im Jahr 1939 wurde im Eiltempo mit dem Bau einer Festung oberhalb von Naters begonnen. Nur gerade ein Jahr später bezogen Schweizer Truppen die ersten Teile der Artilleriefestung und 1943 waren alle Stollen, Kavernen und Räume ausgebrochen.
Die Anlage wurde schrittweise erweitert und modernisiert. Schliesslich entstanden Stollen von einer Gesamtlänge von 1,8 Kilometern und einer Fläche von 4’000 Quadratmetern. Die Festung bot Unterkunft für 200 Mann. Sie wurde so ausgerüstet, dass eine totale Autonomie von zwei Monaten für die Truppe garantiert war. Dies bedingte eine entsprechende Infrastruktur mit zwei riesigen Wasserreservoirs mit einer Kapazität von je 300‘000 Litern, Lebensmittel, Küchen, Speisesäle, Sanitätsraum, sanitäre Anlagen, Telefonzentrale, Dieselmotoren für Notstrom und Ventilation bis hin zu Gefängniszellen, Postlokal, Totenkammer und Geldkammer der Nationalbank.
Ziel der Anlage war es, einen allfälligen Angriff der Mussolini-Armee abzuwehren. Die Festung wurde entsprechend mit Waffen und Munition ausgerüstet. Besondere Beachtung fanden dabei die Panzerabwehr- und vor allem die Flugabwehrkanonen mit einer Reichweite bis Domodossola. Nach dem Krieg blieb die Festung in Betrieb. Der letzte Wiederholungskurs der Artillerie fand 1994 darin statt. Der Bund verkaufte schliesslich die Anlage 2005 an die Gemeinde Naters. Ein bedeutender Teil der Infrastruktur blieb erhalten, sodass die Festung noch heute einen guten Einblick in die damalige Einrichtung zulässt.
Heute ist sie aber nicht nur Erinnerungsstück und Anschauungsstätte. Sie wird auch anders genutzt, so zum Beispiel von Weinbauern und Käsereien zur Lagerung ihrer Produkte, da im Felsen eine permanente Temperatur von 15 bis 18 Grad herrscht. Oder sie wird für Pfadi- oder sonstige Lager vermietet. Vor allem aber beherbergt sie seit zehn Jahren das Gardemuseum.
Originell und informativ
Das Wahrzeichen der Gardeausstellung ist von weitem oben am Felsen sichtbar. Es befindet sich gleich oberhalb des Festungseingangs, der zugleich als Museumseingang dient. Es handelt sich um eine 20 Meter lange und 12 Meter hohe Konstruktion, die schemenhaft den Petersdom zu Rom darstellt. Entworfen wurde das Bild vom Zermatter Künstler Heinz Julen.
Das Museum wurde am 11. November 2006 von der damaligen Bundesrätin Micheline Calmy-Rey eingeweiht. Sie würdigte die Schweizer Garde als Symbol der aktiven Neutralität. Wer Wache stehe, habe keine Aggression im Sinn, müsse aber immer auf der Höhe des Geschehens sein. Diesem Beispiel folge auch die Schweizer Aussenpolitik, erklärte die Magistratin treffend.
Das Gardemuseum ist viersprachig aufgebaut. In einer 50 Meter langen, ehemaligen Munitionshalle der Festung wird die 500-jährige Geschichte der Leibwache des Papstes auf originelle und spannende Weise dargestellt. Der Besucher durchläuft eine Zeitachse, auf der ihm alle Kommandanten seit der Gründung der Garde durch Julius II. im Jahr 1506 im Portrait begegnen. Gegenüber wird der Wandel der Geschichte im gleichen Zeitraum anhand von Ereignissen in Wissenschaft, Politik, Sport und Mode aufgezeigt.
Authentische Darstellung
Danach werden in drei nachgebauten Wohnecken – inspiriert aus den Jahren 1500, 1900 und 2000 – die Beweggründe aufgezeigt, die junge Menschen zum Dienst in der Schweizer Garde ermuntert haben. Auf Infosäulen wird ein Einblick in das Alltagsleben der Gardisten gegeben, in Videointerviews erzählen Gardisten über ihre Erfahrungen, ihre Freuden, aber auch über ihre Probleme im Gardistendasein. Das Ganze ist grafisch überzeugend dargestellt und überrascht in der Aufmachung immer wieder aufs Neue: So stösst der Besucher zum Beispiel beim Thema der Freizeitgestaltung plötzlich auf einen knallroten, echten Porsche, der einem Gardisten gehörte.
In einer zweiten Halle befindet sich die Schatzkammer der Garde. In diesem Teil werden die verschiedensten Uniformen präsentiert. Interessant sind vor allem die 250 Boxen, die persönliche Gegenstände beinhalten, die Gardisten dem Museum übergeben haben. Dazu gehören Fotos, Medaillen, Identitätskarten aus dem Vatikan, Schriftstücke und tausend andere Gegenstände. Hinter jedem Gegenstand birgt sich eine eigene Geschichte, die der Besucher in einer Leseecke entdecken kann. Das Gardemuseum ist keineswegs eine Verherrlichung der Schweizer Garde, sondern eine authentische Darstellung der Leibwache des Papstes. Weitere Informationen sind unter www.zentrumgarde.ch zu finden.
Erweiterung geplant
Das Museumszentrum «La Caverna» will sich weiterentwickeln. Ergänzungen und Neuerungen sind in Vorbereitung. So wird das Gardemuseum demnächst um einen Gardesaal erweitert und 2017 wird in einer ehemaligen Munitionshalle das erste Strahler-Museum der Schweiz eröffnet. Es wird kein Mineralienmuseum sein, sondern sich den Strahlern widmen und somit die Suche nach Kristallen ins Zentrum stellen.
Hervé Dubois